Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze
von Dieter Michelbach
Die Vergänglichkeit der Schauspielkunst ist im Prolog zu
Friedrich Schillers „Wallenstein“ thematisiert, der bei der Wiedereröffnung der
Schaubühne in Weimar im Oktober 1798 gesprochen wurde. Die Autorin Magdalena
Binder hat nun mit dem biographischen Roman „Abschied für ein Jahr“ die
Lebensgeschichte der in Siebenbürgen bekannten Schauspielerin Margot Göttlinger
verarbeitet und so dem flüchtigen Augenblick auf der Bühne ein Buch
entgegengesetzt.
1941 erhält die noch unbekannte Schauspielerin aus Berlin für ein Jahr ein
Engagement am Deutschen Landestheater in Hermannstadt. Insgeheim hofft sie auf
eine Film-Rolle, denn sie steht in Kontakt zu dem Regisseur Wolfgang
Liebeneiner, der den „Mustergatten“ mit der Leinwandgröße Heinz Rühmann
erfolgreich in die Kinos brachte. Nach einem Jahr möchte sie nach Berlin zu
Liebeneiner zurückkehren, doch ihr Lebensweg entwickelt sich anders als geplant.
Ihr Leben ist das Theater, und so feiert sie Erfolge auf der Bühne und wird zur
umjubelten Schauspielerin. Sie ehelicht Gustav Binder und verbleibt in Rumänien.
Die jährlichen Theatertourneen führen die Truppe durch viele siebenbürgische
Ortschaften: Mediasch, Agnetheln, Kronstadt. Schäßburg, das „siebenbürgische
Rothenburg“, wird im Roman besonders detailliert beschrieben. Die
Kriegshandlungen ergreifen auch das Königreich Rumänien, der kulturelle Aderlass
setzt ein. Das geistige Klima wird rauher, sozialistische Grundsätze gewinnen an
Raum und die Schauspielerin, die mittlerweile drei Kinder zu versorgen hat und
arbeitslos ist, fühlt sich eingesperrt. 1953, als die deutsche Abteilung des
Temeschburger Staatstheaters gegründet wird, kann sie wieder arbeiten, doch
viele Dinge haben sich grundlegend verändert.
Neben Szenen aus dem Theaterleben enthält der Roman auch einen privaten Einblick
in das Familienumfeld der Schauspielerin. Für Theaterinteressierte enthalten die
Passagen jedoch nur grobe Andeutungen, die im Nachwort in einer Übersicht des
künstlerischen Lebensweges der Schauspielerin Margot Göttlinger erläutert
werden. Rumäniendeutschen Begriffen wie „Kartelle“ sind allerdings keine
gesonderten Anmerkungen gewidmet.
Insgesamt vermittelt der Roman jedoch einen guten Einblick in das Leben der
Schauspielerin Margot Göttlinger, die im April 2001 verstarb. „Denn schnell und
spurlos geht des Mimen Kunst, / Die wunderbare, an dem Sinn vorüber, / Hier
stirbt der Zauber mit dem Künstler ab...“, doch um Schillers Wallenstein-Prolog
abzuwandeln: „Ihren Ruhm bewahrt nun ein dauernd Werk.“
Magdalena Binder, in Deutsch-Sankt-Peter geboren und in Guttenbrunn im
Banat aufgewachsen, war Mitglied des Adam Müller-Guttenbrunn Literaturkreises in
Temeswar und schriftstellerisch sowie künstlerisch in Rumänien tätig.
(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgischer Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2003,
Seite 6)
Magdalena Binder: Abschied für ein
Jahr. Das ungewöhnliche Schicksal der Margot Göttlinger. Biographischer Roman.
Verlag Eurobit, Temeswar 2003, 176 Seiten, ISBN 973-620-057-4.
Das Buch kann zum Preis von 12 Euro, zuzüglich Versandkosten, bei der Autorin bestellt werden unter Telefon: (09 41) 56 04 55, oder E-Mail: binder.mw@t-online.de
Artikel aus: "BANATER ZEITUNG" ( 15. Oktober 2003 )
Biographie einer Schauspielerin
Buch über Margot Göttlinger erschienen
von Stefana Ciortea-Neamtiu
„Margot Göttlinger war ein großer Stern des Temeswarer Theaters, nicht nur des Deutschen Theaters sondern des Temeswarer Theaters überhaupt und vielleicht auch des rumänischen Theaters,“ mit diesen Worten umriss Ildiko Jarcsek-Zamfirescu, Schauspielerin und langjährige Intendantin des DSTT das Bild eines der Sterne des Deutschen Staatstheaters Temeswar in seinen Anfängen: Margot Göttlinger, die Berlinerin, die sich für ein Jahr nach Rumänien begeben hat, um in Hermannstadt unter Vertrag zu arbeiten, die in Rumänien ihren Bräd geheiratet, drei Söhne zur Welt gebracht hat, und die jahrelang am Deutschen Staatstheater Temeswar tätig war. Margot Göttlinger exzellierte in den großen Rollen der deutschen Aufklärung wie Lessings „Minna von Barnhelm“ oder der Klassik wie Goethes „Iphigenie auf Tauris“.
„Abschied für ein Jahr - Das ungewöhnliche Schicksal der Margot Göttlinger“ ist der Titel dieses vor kurzem im Temeswarer Eurobit-Verlag erschienenen Buches, das die Unterschrift Magdalena Binders trägt. Magdalena Binder, geborene Kern-Rennon, eine der Schwiegertöchter der Schauspielerin, Schriftstellerin, Künstlerin und freie Mitarbeiterin mehrerer Zeitungen, trägt in diesem Roman Erinnerungen von Margot Göttlinger und an Margot Göttlinger zusammen. Entstanden ist das Buch aus den Handschriften der Schauspielerin, die begonnen hatte, ihre Memoiren niederzuschreiben, sowie aus den Erinnerungen der Familie an diese für ihre Bekannten und ihr Publikum unvergesslichen Frau, wie es immer wieder bei der Buchvorstellung unterstrichen wurde.
Der Roman wurde am Freitag Nachmittag im Temeswarer Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus präsentiert. Zu diesem Anlass sprach Ildiko Jarcsek-Zamfirescu das einleitende Wort. Magdalena Binder erzählte aufrichtig, bescheiden über die Entstehungsgeschichte des Romans, der in Deutschland keinen Verleger gefunden hat - wegen der Marketingstrategien der Buchverlage - der aber nun in Temeswar erschienen ist, wo die Schauspielerin jahrelang gelebt hat und tätig war.
Zum Schluss las Ida Gaza, die Margot Göttlinger persönlich gekannt hat, einige der schönsten Passagen aus dem Roman.
Magdalena Binder: Abschied für ein Jahr. Das ungewöhnliche Schicksal der Margot Göttlinger. Biographischer Roman. Verlag Eurobit, Temeswar 2003, 176 Seiten, ISBN 973-620-057-4.
Das Buch kann zum Preis von 12 Euro, zuzüglich Versandkosten, bei der Autorin bestellt werden unter Telefon: (09 41) 56 04 55, oder E-Mail: binder.mw@t-online.de
Artikel aus: "ALLGEMEINE DEUTSCHE ZEITUNG FÜR RUMÄNIEN" -ONLINE ( 24. Oktober 2003 )
Viele wertvolle Hintergrundinformationen
Buch über Schauspielerin Margot
Göttlinger
von Dr. Horst Fassel
Magdalena Binder publizierte seit 1974 in den deutschen Zeitungen und
Zeitschriften Rumäniens. Die Ehefrau von Wolfgang Binder, der sich lange und
nachdrücklich für die Musik am Deutschen Staatstheater Temeswar (DSTT)
engagierte, hat 1976/77 in Guttenbrunn den Roman "Meister Jakob und seine
Kinder" für die Laienbühne dramatisiert. Vor kurzem legte sie ihre Darstellung
des Lebens und der Bühnentätigkeit von Margot Göttlinger vor, die sich aus
Erinnerungen und Familieninformationen speist. Es ist die inzwischen dritte
Publikation, die Schauspieler des Deutschen Staatstheaters Temeswar präsentiert,
und sie enthält mehr als die beiden anderen (die Memoiren von Stefan
Heinz-Kehrer oder die Interviewserie von Iosif Costinas über Buju Ternovits)
persönliche und familiäre Hintergrundinformationen. Den Rahmen bilden die
letzten Lebensjahre von Margot Göttlinger in Temeswar, als sie - zwar in der
Inneren Stadt wohnend - zunehmend weniger wahrgenommen wurde und mehr und mehr
vereinsamte. Zwar hat sie in den siebziger Jahren - nachdem sie in O'Neills "Ein
Mond für die Beladenen" und Grillparzers "Sappho" noch einmal auf der Bühne
glänzen konnte - nur noch als Regisseurin für handfeste Beweise ihrer
Theaterkunst gesorgt. Zuletzt mit Hans Kehrers Dramatisierung des "Meister
Jakob" anlässlich des 25. Jubiläums des Deutschen Staatstheaters. Aber danach
umgab Margot Göttlinger, den Star des Deutschen Landestheaters (1942-44) und des
Deutschen Staatstheaters in den fünfziger und frühen sechziger Jahren,
öffentliches Schweigen. Das ist nicht nur ein bedenkenswerter Rahmen für eine
Biografie, sondern auch der Hinweis darauf, wie schnell man diejenigen vergessen
konnte, die zuvor als Sprecher der Kunst und des Gemeinschaftsbewusstseins in
Erscheinung getreten waren. Das Buch selbst hält die frühe Entwicklung der
gebürtigen Wuppertalerin fest, die in Babelsberg ihr Metier erlernte, durch
einen Zufall nach Hermannstadt kam und danach Siebenbürgen und das Banat zu
ihren Lebensmittelpunkten machte. Ihre faszinierende Präsenz auf der Bühne, ihre
überdurchschnittliche Sprachführung, ihre vielfältige Verfügbarkeit, das alles
wird wieder in Erinnerung gerufen. Die Bekanntschaft mit Bräd (Gustav) Binder,
der sowohl das Landestheater als auch das DSTT (mit insgesamt 33 Stücken)
bestens mit Bühnenbildern ausstattete, wobei er für den "Faust" des
Landestheaters auf die Mitwirkung der gelernten Kostümbildnerin Margot
Göttlinger zählen konnte, die Entstehung der Familie Binder und deren Schicksale
während und nach dem Krieg: das allein wäre schon Stoff genug für einen Roman.
Magdalena Binder schreibt aber auch über einzelne Aufführungen, bei denen die
beiden Göttlinger-Binder einander ergänzten, schreibt über die Entwicklung der
Söhne, die schließlich bei den Märchen-Spielen der siebziger Jahre mit der
Mutter zusammenarbeiteten (Raimund und Wolfgang). Das alles in geduldiger
Ausführlichkeit mitzubekommen ist von großem Interesse. Einmal wird sichtbar,
wie vielseitig ein Bühnenkünstler im Banat und in Rumänien zu sein hatte (Margot
Göttlinger schrieb Aufsätze über Bühnensprache, gab Regieanweisungen in den
Periodika, dichtete Verse, führte Regie, spielte zahlreiche einprägsame
Hauptrollen). Auch stellt man fest, wie noch im 20. Jahrhundert eine
Familientradition auf den Brettern, die die Welt bedeuteten, möglich und wichtig
war: Gustav Binder, der Bühnenbildner, seine Gattin Margot Göttlinger, der Regie
führende Dramatiker und Schauspieler Raimund Binder und der Musiker Wolfgang
Binder. Dass diese Tradition in Temeswar durch die Familie Jarcsek und
Zamfirescu fortgeführt wurde, zeigt nur, dass es sich nicht bloß um Einzelfälle
gehandelt hat. Darauf hinzuweisen, eine Chronik einer für die Deutschen in
Rumänien außerordentlich wichtigen Künstlerin und ihrer familiären Umgebung
geschrieben zu haben, ist ein Verdienst der Autorin. Wenn einige der Sachangaben
(S.173-74) überprüft werden müssten, wenn die letzte große Rolle der
prädestinierten "klassischen" Interpretin Göttlinger nicht zufällig die Sappho
war, die nach einer Königin Elisabeth, einer Lady Milford, einer Iphigenie
folgte, dann ändert dies nichts an der Freude an diesem Buch. Für die Geschichte
des DSTT ist es ein Hinweis dafür, dass mit dem Abgang der Margot Göttlinger die
Kontinuität der traditionellen großen Klassiker-Inszenierungen endete.
Magdalena Binder: Abschied für ein Jahr. Das ungewöhnliche Schicksal der Margot Göttlinger. Biographischer Roman. Verlag Eurobit, Temeswar 2003, 176 Seiten, ISBN 973-620-057-4.
Das Buch kann zum Preis von 12 Euro, zuzüglich Versandkosten, bei der Autorin bestellt werden unter Telefon: (09 41) 56 04 55, oder E-Mail: binder.mw@t-online.de