Schauspielerin und Ex-Intendantin kündigt.

 

Ildiko Jarcsek-Zamfirescu mit DSTT- Kulturpolitik unzufrieden

(Veröffentlicht in "Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien" - 21. Februar 2003 )

 

dc. Temeswar - Die langjährige Schauspielerin und frühere Intendantin des Deutschen Staatstheaters Temeswar, Ildiko Jarcsek-Zamfirescu, hat ihren Vertrag mit dem Theater gekündigt. Jarcsek-Zamfirescu erklärte, sie sei mit der jetzigen Kultur- und Finanzpolitik des Deutschen Staatstheaters unzufrieden. Jarcsek-Zamfirescu, die seit 1983 Intendantin des Theaters war, hatte bei einer Ausschreibung des Amtes im September 2001 nicht mehr kandidiert. Die Ausschreibung, die vom Geldgeber des Theaters, dem Temeswarer Kreisrat, einberufen worden war, hatte einst für eine heftige Debatte in der Temeswarer Kulturszene gesorgt. Die Neubesetzung des Amtes sei damals "von gestern auf heute" geschehen, sagte Jarcsek-Zamfirescu. Das Deutsche Staatstheater in Temeswar sorgt seit längerem für Wirbel. So gab es Unstimmigkeiten zwischen neuer Intendanz und Dramaturgie, die später auch vor Gericht ausgetragen worden waren. "Ich finde es nicht normal, dass das DSTT in einem einzigen Jahr drei Prozesse verliert, die Intendanz schiebt mir aber alle Schuld für die heutigen Probleme des Theaters in die Schuhe", erklärte Jarcsek-Zamfirescu. "Nicht nur, dass ich für alles beschuldigt werde; die Stücke, in denen ich die Hauptrolle hatte, wurden aus dem Repertoire gestrichen", fügt die Schauspielerin hinzu. Die Inszenierungen "Mutter Courage" und "Sibirien", bei denen Jarcsek-Zamfirescu die Hauptrolle spielte, hatten beim Publikum großen Anklang gefunden. Die Intendantin Alexandra Gandi-Ossau sagte der ADZ, sie sei mit den Gründen, die die ehemalige Leiterin angibt, nicht einverstanden. Sie erklärte, "solange Frau Jarcsek-Zamfirescu auch weiterhin mit dem DSTT mitarbeiten wird, sollte man es nicht an die große Glocke hängen". Ildiko Jarcsek-Zamfirescu probt zur Zeit für die am 28. Februar geplante Premiere von Horvaths "Geschichten aus dem Wiener Wald" und ist sich sicher, "auch in Zukunft auf der Bühne zu sehen sein, denn das Publikum darf auf keinen Fall leiden", so die langjährige Temeswarer Schauspielerin.

 


"Ich kann nichts ändern, deshalb bin ich gegangen"

(Veröffentlicht in "Banater Zeitung" - 5. März  2003 )


BZ-Gespräch mit DSTT-Schauspielerin und Ex-Intendantin Ildiko Jarcsek-Zamfirescu


Am Freitag Abend ist sie mit Horvaths "Geschichten aus dem Wiener Wald" in ihrer letzten Premiere als Schauspielerin des Deutschen Staatstheaters aufgetreten: Nach 30 Jahren an der Temeswarer deutschen Bühne hat Ildiko Jarcsek-Zamfirescu ihren Posten am DSTT gekündigt. Mehrere Gründe für ihre Entscheidung, die bereits im Temeswarer Kulturleben hohe Wellen geschlagen
hat, gab die langjährige Schauspielerin und Ex-Intendantin in der ADZ an. Von der Kulturpolitik bis hin zur Tatsache, dass seit einiger Zeit am DSTT nur so "Stücke zusammengepufft werden", dass die beiden dienstältesten Schauspielerinnen der Bühne im groß angelegten Jubiläumsprojekt des Theaters nicht miteinbezogen wurden, gehören zur Motivation einer Geste der Verzweiflung. "Ich bin zu alt, um unter diesen Bedingungen weiterzumachen", sagt die Schauspielerin, die jedoch, auch wenn sie ihre "große Liebe", das DSTT, verlassen musste, weiterhin auf die Bühne steigen wird. Jarcsek-Zamfirescu ist ab sofort Schauspielerin des ungarischen Theaters, eine Tatsache, die sie "ehrt und freut". Über "falsche Kulturpolitik", der Notwendigkeit einer deutschsprachigen Bühne in Temeswar und über die Zukunft des DSTT sprach ADZ/BZ-Redakteur Dan Cârâmidariu mit Ildiko Jarcsek-Zamfirescu.

Frau Zamfirescu, was bedeutet für Sie "falsche Kulturpolitik" am einzigen deutschsprachigen Theater Rumäniens?

Das Deutsche Staatstheater muss ganz besonders auf seine Kulturpolitik achten. Dieses Theater hatte sich zu Beginn seiner Existenz gewisse Prinzipien gesetzt, und zwar deutsche Kultur und Kultur in deutscher Sprache zu vermitteln, Tradition zu bewahren, dem Publikum das Neue näher zu bringen und erziehend dem Geschmack des Publikums zu folgen, die Sprache zu pflegen
und, was das Allerwichtigste ist, jedes Angebot nicht unter ein gewisses Niveau sinken zu lassen. Sehr viele dieser Sachen, die 48 Jahre lang von jedem Intendanten und Dramaturgen dieses Theaters verfolgt wurden, sind heute anders.

Wie ist es denn heute?

Jetzt ist das so: In drei-vier Wochen werden Vorstellungen zusammengepufft, die dann auf die Bühne kommen, die Sprache ist außerdem sehr mangelhaft. Da beschuldigt mich Frau Gandi umsonst, dass ich für Spracherziehung zuständig bin, denn ich bin für das Sprachniveau eines Studenten des ersten oder zweiten Studienjahrs zuständig. Da kann man sich es noch leisten, sprechen
zu lernen. Aber wenn der gleiche Student eingesetzt wird, obzwar er rumänischer Muttersprache ist, ohne dass wir, die ihn unterrichten, befragt werden, dann ist es nicht mehr die Schuld des Lehrers, der sich vornimmt ihm in vier Jahren ein halbwegs gutes Bühnendeutsch beizubringen. Die Titel, die auf die Bühne kommen, sind teilweise total uninteressant, schon von der qualitativen Ausführung und der Regie her gesehen. Ich will keine Titel nennen, weil in diesen Vorstellungen meine Kollegen spielen, und eigentlich dafür nicht schuld sind, dass sie bei solchen Stücken mitmachen müssen. Die Qualität der Vorstellungen ist teilweise fürchterlich. Wenn Sie in der Buchhaltung nachschauen würden, würden Sie sehen, dass es in der vergangenen Spielzeit Titel gegeben hat, bei denen die zweite Vorstellung ausgefallen ist, oder dass Inszenierungen gemacht und nach der Premiere die Proben wieder aufgenommen wurden, obwohl der Zuschauer ja das Recht auf ein Fertigprodukt hat. Außerdem wurde die Grundzelle eines jeden Theaters - ich meine damit die Dramaturgie - am DSTT vernichtet. Schauen Sie sich jedes Programmheft an, Sie werden dort kein Impressum finden, Sie werden keinen Namen eines Dramaturgen finden, nicht einmal die Adresse und
die Telefonnummer des Theaters werden Sie sehen. Das passiert deshalb, weil die Stelle des Dramaturgen de fakto von jemanden besetzt ist, der keine Ahnung davon hat. Die Schuld dafür trägt aber die Intendanz. Der eigentliche Dramaturg, der trotz seiner Jugend als einer der besten Dramaturgen dieses Landes gilt und der zusammen mit mir diese einmalige Spielzeit "20.
Jahrhundert" zu Wege gebracht hat, muss jetzt durch einen dritten Prozess sein Arbeitsrecht am Deutschen Staatstheater verteidigen. Oder ein anderes Beispiel: Man hat in der Zeitung erklärt, dass sich die Deutschen von hier deutscher zeigen wollen als die Deutschen, also katholischer als der Papst sein wollen, und man hat sich damit verteidigt, weil man kein Deutsch
spricht und kein Gefühl für das Spezifikum dieser Institution hat. All das heißt für mich falsche Kulturpolitik.

Auf diese Fakten hat die Öffentlichkeit schon reagiert. Es gab damals ein "Argument" und eine heftige Debatte. War das nicht genug?

Außer der Jugendgruppe des Banater Forums, die damals dieses "Argument" initiiert und verteidigt hat und leider aber abgekanzelt wurde, hat sich niemand so richtig darüber interessiert, was im Theater passiert. Ein jeder der das Sagen hatte, hat sich gegen diese jungen Leute gestellt und sie der Sachen beschuldigt, die gar nicht in Frage gekommen wären.

Wie soll es, Ihrer Meinung nach, weiterhin mit dem DSTT gehen, zumal es jetzt seinen 50. Geburtstag feiert?

Was die Zukunft des DSTT betrifft, wünsche ich dem Theater und hoffe für dieses Theater, dass es auf irgendeiner Weise wieder zurückfindet zudem was es war. Man braucht ein deutsches Theater in Temeswar, es gehört unbedingt zum multikulturellen Bild der Stadt. Am DSTT gibt es das menschliche Potenzial, Bedingungen dafür, dass dieses Potenzial genützt wird, ist, dass die Regie am Haus gut ist, die Inszenierungen gut sind und dass nicht mehr auf dem Fließband Kunst produziert wird. Wir müssen Gutes nur im Bereich der Kraft eines jeden einzelnen und des ganzen Teams machen. Dieses Theater erlebt unbedingt einen Umbruch, aber mit einem realistischen Denkvermögen können sehr viele Sachen wieder in die richtige Bahn geschaukelt werden und zum Glück besteht dieses Theater zu 80 Prozent aus jungen Menschen, die ja bekannterweise flexibel sind.

Vielen Dank für das Gespräch.



Siehe auch: DEUTSCHES STAATSTHEATER TEMESWAR  (DSTT) IN DEN SCHLAGZEILEN